Serien-Check: Chernobyl

von Oliver Hartmann

Ich kann mich nur noch dunkel an die Reaktorkatastrophe von Chernobyl erinnern. 1986 war ich 13 Jahre alt und hatte mit vielen Dingen zu tun, das Geschehen in der Welt interessierte mich damals jedoch noch nicht so sehr. Ich kann mich noch an Nachrichtenserien erinnern, die vor dem Verzehr von Pilzen warten und bei Regen sollte man auch eher nicht draußen spielen, hieß es. Doch 33 Jahre später saß ich gebannt vor dem Fernseher und erlebte das erschreckende Unglück erneut, als wäre ich live dabei. Ich hätte nicht erwartet, dass eine TV-Serie das Ausmaß der Katastrophe so erschreckend rüberbringen könnte.

In fünf Episoden erzählt die von HBO produzierte Mini-Serie die Geschichte von der Reaktorkatastrophe in Tschernobyl, über deren Folgen, die Ermittlungen der Behörden, die Verschleierung der russischen Regierung bis hin zur Aussage von Waleri Legassow vor der International Atomic Energy Agency in Wien. Die Serie ist extrem authentisch produziert, die Schauspieler sehen den realen Personen sehr ähnlich. Zeitweise fühlte ich mich, als wäre ich live bei den Geschehnissen als stiller Beobachter anwesend.

What is the cost of lies? It’s not that we’ll mistake them for the truth. The real danger is that if we hear enough lies, then we no longer recognize the truth at all.

Waleri Legassow in Chernobyl

Es ist schmerzhaft zu sehen, wie viel schlimmer alles hätte ausgehen können, wenn nur wenige Dinge anders gelaufen wären. Es machte mir fast Bauchschmerzen zu sehen, wie ahnungslose Ersthelfer langsam und qualvoll der Strahlung zum Opfer fallen, während die Regierung alles versucht, den Vorfall runterzuspielen und die ganze Geschichte möglichst unter Verschluss zu halten. Menschen werden einfach in den Tod geschickt, um einen schlimmeren Verlauf abzuwenden. Das alles tut so viel mehr weh, weil die Macher geschickt immer wieder dem Geschehen eine menschliche Komponente geben. Besonders nahe gehen dabei das Schicksal der schwangen Ehefrau eines Ersthelfers und der junge Mann, der damit beauftragt wird, radioaktiv verseuchte Tiere in den Wohngebieten zu erschießen. Selbst wenn man sich noch an die Katastrophe und die Berichterstattung damals erinnert, die menschlichen Geschichten dazwischen konnte man sich bestenfalls ausmalen.

Ein wichtiger Faktor des Erfolgs der Serie ist sicherlich auch der Veröffentlichungszeitpunkt. Die Serie trifft den aktuellen Zeitgeist mit Klima-Demonstrationen und Sorgen um die Zukunft unserer Erde.

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